Kapitel: | Gesundheit |
---|---|
Antragsteller*in: | Harald Wölter (KV Münster) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 18.08.2023, 17:03 |
Ä2 zu A6: Gesundheit
Text
Von Zeile 72 bis 73 löschen:
Fußnoten:
In Zeile 77 einfügen:
4 u.a. Wohnen für Wohnungslose in den York-Höfen,Wohnen 60plus Dreifaltigkeitskirche für Wohnungslose und diverse Angebote der Alexianer, für psychisch Kranke etc.
Gesundheit
Armut macht krank und Krankheit macht arm, das gilt ganz besonders für
obdachlose Menschen. Die Lebenserwartung von Menschen auf der Straße liegt etwa
dreißig Jahre niedriger als von Menschen mit festem Wohnsitz1. Kein Wunder
angesichts der Alltagsgefahren: Feuchtigkeit und Extremtemperaturen ausgesetzt,
mit eingeschränkten und mehr als jede*r andere den Risiken des Straßenverkehrs
ausgesetzt, ebenso politisch motivierten Angriffen und durch Armutskonkurrenz
erzeugten Raubversuchen. Obdachlose sind zudem oft nicht krankenversichert oder
haben aufgrund von Beitragsrückständen eingeschränkten Versicherungsschutz, was
einem nachhaltigen Behandlungserfolg im Wege steht. Für einige stellt schon das
Einlösen eines Rezeptes eine Überforderung dar.
Obdachlosigkeit ist deshalb vor allem auch eine Herausforderung für unser
Gesundheitssystem. Denn ihre Hilf- und Aussichtslosigkeit führt bei obdachlosen
Menschen zu Wut und psychischen Problemen, wenn sie diese nicht schon vorher
hatten. Eine ganz besondere Bedeutung kommt dabei der Gemeindepsychiatrie zu, da
bei vielen Obdachlosen eine entsprechende Erkrankung diagnostiziert wird. Den
Teufelskreis dieser Drehtür-Patienten müssen wir dringend durchbrechen.
Wer auf der Straße lebt, erlebt Leid am laufenden Band. Für viele hilft da nur
Sucht als Bewältigungsstrategie, um den eigenen Frust zu betäuben. Manch einer
landet durch Alkohol- und Drogenabhängigkeit auf der Straße, bei den meisten ist
es umgekehrt.
Doch Sucht ist eine Krankheit und kein Verbrechen. Deshalb führt die
Kriminalisierung von Drogenkonsum lediglich zu überfüllten Gefängnissen und
dauerhaft gescheiterten Existenzen. Die Bekämpfung von Obdachlosigkeit ist somit
auch ein wichtiger Beitrag zur Entlastung unserer Justiz und unseres
Gesundheitssystems. Die Behandlung von chronischen Erkrankungen, psychischen
Problemen und Drogenabhängigkeit braucht Zeit, flexible und realistische Ziele,
das Einvernehmen der Betroffenen und getrennte, darauf abgestimmte
Hilfsangebote.
Dafür haben wir einen Plan und fordern:
- die Überführung aller Betroffenen in die medizinische Regelversorgung,
unabhängig von Krankenversicherungs- und Aufenthaltsstatus, im ersten Schritt
mit einem anonymen Krankenschein wie in Köln2
- eine öffentliche Förderung von spezialisierten, niedrigschwelligen
Behandlungsangeboten für Obdachlose, wie z.B. der CAYA-Ambulanz in Köln3
- eine Liberalisierung des Arzneimittelgesetzes, um eine kontrollierte
Medikamentenabgabe zu ermöglichen
- mehr Krankenwohnungen und Projekte selbstbestimmten Lebens in der eigenen
Wohnung für obdachlose Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und
Pflegebedarf wie in Münster4
- eine Behandlungspflicht von Obdachlosen in Arztpraxen und verbindliche
Übernahme der Behandlungskosten durch die Sozialämter, analog zu
Krankenhausbehandlungen
- deutlich mehr mobile und aufsuchende medizinische Angebote für Obdachlose5
- mehr Sensibilität für psychische Erkrankungen/Phänomene, insbesondere auch
Neurodiversität und eine entsprechende Schulung des Fachpersonals
- ein bedarfsgerechter Ausbau der Gemeindepsychiatrie, um Wartelisten zu
vermeiden
- dass durch ein entsprechendes Entlassmanagement, verbindliche Schnittstellen
mit den Kommunen und passende Anschlussangebote niemand nach
Psychiatrieaufenthalten auf der Straße landet
- den Zugang zu Möglichkeiten zur Entgiftung niedrigschwellig zu gestalten, ohne
übermäßige Kontaktpflichten vor der Therapie
- niedrigschwellige Angebote für Drug-Checking wie in Münster6, um
Gesundheitsgefahren durch verunreinigte Substanzen zu vermeiden
- spezielle Angebote für suchtkranke Obdachlose, z.B. mit betreuten Wohngruppen
wie in Duisburg7
- ergebnisoffene Angebote, von kaltem Entzug über Konsumreduzierung bis hin zu
Substitution und kontrolliertem Konsum
- einen Therapieplatz direkt im Anschluss an eine Entgiftung, um Rückfälle zu
vermeiden
- eine Förderung von Sucht-Selbsthilfeprojekten8
- praxisgerechte Hausregeln zum Alkoholkonsum in Obdachloseneinrichtungen
- eine Unterbringung möglichst nur noch in Einzelzimmern, auch im Hinblick auf
künftige Pandemien9
- Menschen mit Behinderung oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen
müssen wir bei der Konzeption von Obdachlosenhilfeangeboten mitdenken
Fußnoten:
1 siehe Deutsches Ärzteblatt (2017)
2 Allgemeine Infos zum Anonymen Krankenschein; Angebot in Köln
3 Konzept CAYA; ähnliche Angebote der Malteser;
4 u.a. Wohnen für Wohnungslose in den York-Höfen,Wohnen 60plus Dreifaltigkeitskirche für Wohnungslose und diverse Angebote der Alexianer, für psychisch Kranke etc.
5 z.B. das GSE-Arztmobil in Essen
6 INDRO in Münster nimmt als einer von 10 deutschen Standorten mit einem
Drogenkonsumraum am vom BMG geförderten Modellprojekt „Rapid Fentanyl Tests in
Drogenkonsumräumen (RaFT)“ teil
7 siehe Diakonie Duisburg
8 wie z.B. Vision e.V. in Köln, JES NRW etc.
9 Gemeinsame Empfehlungen RKI, BAG W; Erfahrungen aus Hamburg mit
Einzelzimmerunterbringung während der Pandemie
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4 u.a. Wohnen für Wohnungslose in den York-Höfen,Wohnen 60plus Dreifaltigkeitskirche für Wohnungslose und diverse Angebote der Alexianer, für psychisch Kranke etc.
Gesundheit
Armut macht krank und Krankheit macht arm, das gilt ganz besonders für
obdachlose Menschen. Die Lebenserwartung von Menschen auf der Straße liegt etwa
dreißig Jahre niedriger als von Menschen mit festem Wohnsitz1. Kein Wunder
angesichts der Alltagsgefahren: Feuchtigkeit und Extremtemperaturen ausgesetzt,
mit eingeschränkten und mehr als jede*r andere den Risiken des Straßenverkehrs
ausgesetzt, ebenso politisch motivierten Angriffen und durch Armutskonkurrenz
erzeugten Raubversuchen. Obdachlose sind zudem oft nicht krankenversichert oder
haben aufgrund von Beitragsrückständen eingeschränkten Versicherungsschutz, was
einem nachhaltigen Behandlungserfolg im Wege steht. Für einige stellt schon das
Einlösen eines Rezeptes eine Überforderung dar.
Obdachlosigkeit ist deshalb vor allem auch eine Herausforderung für unser
Gesundheitssystem. Denn ihre Hilf- und Aussichtslosigkeit führt bei obdachlosen
Menschen zu Wut und psychischen Problemen, wenn sie diese nicht schon vorher
hatten. Eine ganz besondere Bedeutung kommt dabei der Gemeindepsychiatrie zu, da
bei vielen Obdachlosen eine entsprechende Erkrankung diagnostiziert wird. Den
Teufelskreis dieser Drehtür-Patienten müssen wir dringend durchbrechen.
Wer auf der Straße lebt, erlebt Leid am laufenden Band. Für viele hilft da nur
Sucht als Bewältigungsstrategie, um den eigenen Frust zu betäuben. Manch einer
landet durch Alkohol- und Drogenabhängigkeit auf der Straße, bei den meisten ist
es umgekehrt.
Doch Sucht ist eine Krankheit und kein Verbrechen. Deshalb führt die
Kriminalisierung von Drogenkonsum lediglich zu überfüllten Gefängnissen und
dauerhaft gescheiterten Existenzen. Die Bekämpfung von Obdachlosigkeit ist somit
auch ein wichtiger Beitrag zur Entlastung unserer Justiz und unseres
Gesundheitssystems. Die Behandlung von chronischen Erkrankungen, psychischen
Problemen und Drogenabhängigkeit braucht Zeit, flexible und realistische Ziele,
das Einvernehmen der Betroffenen und getrennte, darauf abgestimmte
Hilfsangebote.
Dafür haben wir einen Plan und fordern:
- die Überführung aller Betroffenen in die medizinische Regelversorgung,
unabhängig von Krankenversicherungs- und Aufenthaltsstatus, im ersten Schritt
mit einem anonymen Krankenschein wie in Köln2
- eine öffentliche Förderung von spezialisierten, niedrigschwelligen
Behandlungsangeboten für Obdachlose, wie z.B. der CAYA-Ambulanz in Köln3
- eine Liberalisierung des Arzneimittelgesetzes, um eine kontrollierte
Medikamentenabgabe zu ermöglichen
- mehr Krankenwohnungen und Projekte selbstbestimmten Lebens in der eigenen
Wohnung für obdachlose Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und
Pflegebedarf wie in Münster4
- eine Behandlungspflicht von Obdachlosen in Arztpraxen und verbindliche
Übernahme der Behandlungskosten durch die Sozialämter, analog zu
Krankenhausbehandlungen
- deutlich mehr mobile und aufsuchende medizinische Angebote für Obdachlose5
- mehr Sensibilität für psychische Erkrankungen/Phänomene, insbesondere auch
Neurodiversität und eine entsprechende Schulung des Fachpersonals
- ein bedarfsgerechter Ausbau der Gemeindepsychiatrie, um Wartelisten zu
vermeiden
- dass durch ein entsprechendes Entlassmanagement, verbindliche Schnittstellen
mit den Kommunen und passende Anschlussangebote niemand nach
Psychiatrieaufenthalten auf der Straße landet
- den Zugang zu Möglichkeiten zur Entgiftung niedrigschwellig zu gestalten, ohne
übermäßige Kontaktpflichten vor der Therapie
- niedrigschwellige Angebote für Drug-Checking wie in Münster6, um
Gesundheitsgefahren durch verunreinigte Substanzen zu vermeiden
- spezielle Angebote für suchtkranke Obdachlose, z.B. mit betreuten Wohngruppen
wie in Duisburg7
- ergebnisoffene Angebote, von kaltem Entzug über Konsumreduzierung bis hin zu
Substitution und kontrolliertem Konsum
- einen Therapieplatz direkt im Anschluss an eine Entgiftung, um Rückfälle zu
vermeiden
- eine Förderung von Sucht-Selbsthilfeprojekten8
- praxisgerechte Hausregeln zum Alkoholkonsum in Obdachloseneinrichtungen
- eine Unterbringung möglichst nur noch in Einzelzimmern, auch im Hinblick auf
künftige Pandemien9
- Menschen mit Behinderung oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen
müssen wir bei der Konzeption von Obdachlosenhilfeangeboten mitdenken
Fußnoten:
1 siehe Deutsches Ärzteblatt (2017)
2 Allgemeine Infos zum Anonymen Krankenschein; Angebot in Köln
3 Konzept CAYA; ähnliche Angebote der Malteser;
4 u.a. Wohnen für Wohnungslose in den York-Höfen,Wohnen 60plus Dreifaltigkeitskirche für Wohnungslose und diverse Angebote der Alexianer, für psychisch Kranke etc.
5 z.B. das GSE-Arztmobil in Essen
6 INDRO in Münster nimmt als einer von 10 deutschen Standorten mit einem
Drogenkonsumraum am vom BMG geförderten Modellprojekt „Rapid Fentanyl Tests in
Drogenkonsumräumen (RaFT)“ teil
7 siehe Diakonie Duisburg
8 wie z.B. Vision e.V. in Köln, JES NRW etc.
9 Gemeinsame Empfehlungen RKI, BAG W; Erfahrungen aus Hamburg mit
Einzelzimmerunterbringung während der Pandemie
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