Veranstaltung: | Sitzung zu Eckpunktepapier Obdachlosigkeit |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Beschlussfassung Eckpunktepapier Obdachlosigkeit |
Antragsteller*in: | Marc Kersten & Jenny Brunner |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.08.2023, 19:35 |
A4: Wohnraum
Text
Wohnungslosigkeit lässt sich nur beenden, indem wir den Betroffenen Wohnungen
geben. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist jedoch die größte Hürde,
denn wir sind weit von ausreichend bezahlbaren Wohnraum in NRW entfernt,
insbesondere in unseren Ballungszentren. Zudem gibt es unterschiedliche
Bedürfnisse: Allein in einer abschließbaren Wohnung zu leben ist nicht für
jede*n die beste Lösung. Doch ohne Wohnraum scheitert meist auch die Lösung
anderer Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Überschuldung, Drogenentzug oder
gesundheitliche Genesung. Auf dem freien Wohnungsmarkt haben Obdachlose zudem
keinerlei Chancen und sind ständiger Diskriminierung ausgesetzt. Auch die
Gebühren für eine städtische Unterbringung schrecken viele ab. Und die geballte
Unterbringung in sozialen Brennpunkt-Stadtteilen steht einer Integration und
gesellschaftlichen Akzeptanz entgegen.
Ein weiteres Problem: Aktuell kann nicht so viel gebaut werden wie politisch
gewollt, da es an Fachkräften mangelt, Baustoffe knapp sind und die jüngsten
Zinserhöhungen viele Finanzierungspläne in Frage stellen. Um zu mehr Wohnraum zu
kommen ist deshalb ein umfassender Blick auf den Wohnungsmarkt zu werfen.
Dafür haben wir einen Plan und fordern:
- eine soziale Wohnungsbauoffensive für NRW mit attraktiverer Förderung,
beschleunigten Verfahren, seriellem Bauen, einem Fokus auf Micro-Appartements
und bevorzugter Grundstücksvergabe an gemeinnützige Wohnungsbau-
Genossenschaften1
- die Verankerung des Ziels „Wohnraum schaffen für Wohnungslose“ in der
kommunalen Stadtplanung, mit festen Mindestquoten in Bebauungsplänen
- die stärkere Bekämpfung von Leerständen durch entsprechende Rechtsanpassungen
und konsequente Rechtsdurchsetzung, sowie erleichterte Umwandlungen von
ungenutzten Büroflächen
- die Förderung Sozialer Wohnraumagenturen auf lokaler Ebene wie in Darmstadt
oder Münster, die sich auf die dauerhafte Unterbringung von Obdachlosen und
Wohnungssuchenden mit Betreuungsbedarf fokussieren und dabei Vermietenden im
freien Wohnungsmarkt eine sichere und praktikable Gesamtlösung bieten2
- einen Runden Tisch mit Wohnungsgesellschaften und
Immobilieneigentümerverbänden
- eine Vergabe öffentlich geförderten Wohnraums ohne Schufaabfrage durch
städtische Wohnungsgesellschaften
- den flächendeckenden und großzügig vom Land bezuschussten Ausbau von Housing
First-Projekten, mit optionaler sozialarbeiterischer Betreuung und weitgehend
ohne Hürden vor der Wohnungsvergabe3
- eine verbindliche Nutzung von Besetzung- & Benennungsrechten4 bei
bezugsfertigen öffentlich-geförderten Wohnungen zu mind. 10%für obdachlose
Menschen, insbesondere für Housing First
- die Beratung von Kommunen bei der Erstellung rechtssicherer städtebaulicher
Verträge mit Investoren, im Hinblick auf sozialen Wohnungsbau, dessen möglichst
dezentrale Ausgestaltung sowie die Garantierung von Belegungsrechten
- eine bedarfsgerechte Attraktivierung des Landeszuschusses für den Aufkauf von
Belegungsrechten im Wohnungsbestand durch NRW-Kommunen, mit einer Mindestquote
von 50 % für Obdachlose und andere akut prekär lebende Menschen7
- eine Bundesratsinitiative zur weiteren einfachgesetzlichen Ausgestaltung von
Artikel 15 Grundgesetz, zwecks stärkerer sozialer Verpflichtung von
Immobilienbesitzer*innen8
- eine barrierefreie Ausgestaltung der zielgruppenspezifischen Angebote, da
viele Betroffene gesundheitlich beeinträchtigt und mobilitätseingeschränkt sind
- mehr flexible und bedarfsgerechte Angebote: Neben gemeinschaftlichen
Wohnformen können das auch Tiny Houses, Bauwägen und Zelte für jene sein, denen
die Umgewöhnung vom Leben auf der Platte schwer fällt9
- eine intensive Betreuung selbstverwalteter Obdachlosen-Wohnprojekte, damit
diese eine Chance auf Erfolg haben
- niedrigere Gebühren für Wohn- und Unterbringungsangebote, die Betroffene nicht
in die Überschuldung treiben, entsprechend der Vorgaben der
Landschaftsverbände10 und ohne Opt-out-Möglichkeit für die Kommunen
Fußnoten:
1 bei Ausweitung des Blicks auf alle Wohnungslose, zu denen auch Geflüchtete
zählen, wird auch die Notwendigkeit zur Schaffung von Wohnraum für größere
Familien deutlich, wie es die Stadt Münster nun stärker in den Blick nimmt.
Siehe frühere Wohnungsbauoffensive NRW, Siehe auch Landtagsresolution von
CDU/Grünen (2023).
2 erklärt in Praxishilfe (MAGS NRW), S. 113ff; siehe Karlsruhe, Hannover,
Bielefeld, Darmstadt
3 Housing-First-Konzept; Förderung durch LVR & LWL; Umsetzung u.a. in
Düsseldorf, Köln, Siegen
4 gemäß Wohnraumförderungsgesetz – WoFG, § 26 und 27 sowie WFNG NRW, § 17
6 gemäß WFNG NRW, § 13
7 Ausweitung auf weitere Kommunen und Förderrichtlinien
8Abschließende rechtliche Bewertung zur Durchsetzbarkeit des Berliner
Volksentscheides auf Basis von Artikel 15 GG
9 z.B. bei der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten (IBWA)
10 gemäß § 42 Nr. 4 Buchstabe b) in Verbindung mit § 27b Abs. 1Satz 2 SGB XII
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